Bericht von Åke Fuhrmann
Die Deutsche Ländermeisterschaft ist ein Jugendturnier, das zwischen den Schachjugenden der Bundesländer ausgetragen wird und dieses Jahr in Hannover stattfand. Die Mannschaften setzen sich aus je acht Jugendlichen zusammen. Das Besondere ist, dass man alle Altersklassen abdecken muss. Bei der DLM spielt Hamburg zwar nicht um den Sieg, was uns aber natürlich nicht davon abhält, zu probieren trotzdem zu gewinnen! Unsere Mannschaft bestand aus: U20: Jakob Weihrauch, U20w: Charlotte Hubert, U18: Faris Avdic, U16: Bahne Fuhrmann, U16w: Alissa Wartenberg, U14: Elias Lu, U12: Magnus Grebita, U12w: Nua Fettan. Als Betreuer sind Henning Holinka und Åke Fuhrmann mitgekommen. Mit unserem DWZ-Schnitt von 1876 waren wir an 10 von 14 gesetzt.
Das Turnier startete für uns mit dem starken Gegner Rheinland-Pfalz, deren erste drei Bretter einen DWZ-Schnitt von 2260 haben und noch an Brett 7 hat die Mannschaft mit 1900 einen sehr starken Spieler. Als weitere Schwierigkeit waren von unseren Gegnern neun Spieler gemeldet, vier davon Mädchen. Theoretisch konnten sie so sechs Spieler*innen aussetzen lassen, aufgrund des Formats eine erstaunlich hohe Zahl. Praktisch war die vierte Spielerin noch gar nicht angereist und die Mannschaft war nur zu acht zu diesem Zeitpunkt. Naja. Dieser erste Mannschaftskampf hat, im Nachhinein betrachtet, bereits den Trend für dieses Turnier festgelegt. Ich will ihn deshalb recht detailliert schildern, da er eine gute Gelegenheit bietet die Spieler*innen ein wenig besser kennen zu lernen.
Nua an Brett 8 spielte eine starke Partie, in der sie die in der Vorbereitung besprochenen Pläne einwandfrei umsetzte und die Gegnerin (fast) sauber überspielte. Sobald Nua ins Rollen kommt, ist sie dank ihrer intensiven Vorbereitung kaum noch zu stoppen. Magnus spielte gegen einen fast 300 Punkte stärkeren und konnte sehr lange mithalten. Mit Plänen von Henning gewappnet, hing die Partie lange im Gleichgewicht, bis Magnus leider die entscheidenden Momente verpasste, um sein eigenes Gegenspiel aufzubauen. Magnus kann es mit jedem aufnehmen, unterschätzt aber manchmal das Angriffspotential seiner Gegner. Alissa kam eigentlich ganz gut aus der Eröffnung, im Mittelspiel gab es dann allerdings schnell Probleme und sie musste zwei Bauern und ihre Königsstellung aufgeben. Sie hat aber nicht aufgehört zu kämpfen und konnte einen Fehlgriff ihrer Gegnerin mit den beiden ihr verbleibenden Minuten bestrafen und die Partie letztlich sogar noch gewinnen. Alissa musste sich in diesem Turnier oft aus schlechten Positionen wieder zurückkämpfen, was ihr aber auch immer wieder gelang. Elias spielte Caro-Kann. Geschickt baute Elias seinen Vorteil immer weiter aus, bis er letztlich einen starken Mattangriff entfalten, aber nicht vollenden konnte. Remis. Mit Weiß und mit Schwarz kam bei Elias im Laufe des Turniers fünfmal Caro-Kann. In den entscheidenden Momenten fehlte ihm leider manchmal die Konzentration, wodurch er einige eigentlich verdiente Punkte abgeben musste.
Charlottes Partie war ein langer Kampf, bei dem beide Seiten immer mal wieder Chancen hatte, sich am Ende aber niemand durchsetzen konnte. Charlottes Stellungen waren fast immer zweischneidig und komplex. Garantiert waren eine spannende Zeitnotphase und eine lange Partie. Bahne spielte eine sehr kampfeslustige Eröffnung und kam schnell in eine sehr konkrete, zweischneidige Stellung. Nach einer frühen Ungenauigkeit war die Stellung leider einfach zu schwer zu spielen und Bahne musste sich früh geschlagen gegeben. Bahnes Partien sind oft, bereits von der Eröffnung startend, Seiltänze über dem Abgrund: ein falscher Schritt und die ganze Partie stürzt um. Faris gelang mit aktivem und selbstbewusstem Spiel die – neben Alissas Comeback – wohl größte Überraschung in dieser Runde mit seinem Sieg über den 2350er Ivan Sidletskyi. Am Ende hatte er 1:14h gegen die 17 Minuten seines Gegners. Faris spielt aktiv, schnell und ohne Angst und erzeugt so einen ungeheuren Druck gegen seine Gegner. Jakob bekam eine unglaublich komplexe Spanisch-Partie aufs Brett, die er lange Zeit gekonnt im Gleichgewicht hielt. In der Zeitnot wendete sich das Blatt zu Gunsten seines Gegners. Jakob hatte viele starke Momente und spielte konstant echt gutes Schach aber leider entglitten ihm in Zeitnot einige Stellungen.
Insgesamt spielten wir 4:4. Ein super starkes Ergebnis, bei dem vielleicht sogar noch mehr drin gewesen wäre. Es wird nicht das letzte 4:4 sein. Die zweite Runde des Tages lieferte uns Sachsen-Anhalt als Gegner. Eine sehr ausgeglichene Paarung. Jakob gewann eine sehr schöne Sizilianisch-Partie. Faris spielte ein solides Remis, während Bahne einen schwierigen offenen Spanier mit sehr genauem Spiel für sich entscheiden konnte. Charlotte konnte eine schöne Vorbereitung leider nicht ganz nach Hause fahren und musste sich am Ende geschlagen geben. Elias gewann sauber aus seinem Caro-Kann heraus. Alissa musste sich erst von einem Bauern, später noch von einem Springer trennen. Punkt für die Gegner. Magnus ebenfalls mit solidem Remis. Nua stellte leider früh einen sehr wichtigen Bauern ein und konnte die Partie zwar lange, aber nicht bis zum Ende verteidigen. Ein faires 4:4 eigentlich.
Nächster Tag, aber nur eine neue Runde. Baden galt es zu schlagen. Leider spiegelte sich schon recht früh ab, dass die letzten vier Bretter dem Gegner gehörten. Charlotte und Bahne holten zwar zwei wichtige ganze Punkte und Faris mit 99% Genauigkeit einen halben Punkt, mehr war allerdings nicht drin für uns. Ein kleiner Dämpfer nach dem erfolgreichen ersten Tag, aber immerhin hatten wir den Nachmittag frei, um uns wieder zu sammeln. Das Freizeitangebot der Deutschen Schachjugend fand bei der Mannschaft wenig Anklang. Stattdessen gingen wir auf einen kleinen Spaziergang. Für einige wurde dieser noch ein wenig länger, als verzweifelt nach einem geeigneten Dönerladen gesucht wurde… Es brauchte wohl drei Versuche. Die Motivation für diese Pilgerfahrt kann aber nicht allein das Essen der Jugendherberge gewesen sein. Denn die Verpflegung der Jugendherberge war meiner Ansicht nach völlig in Ordnung, insgesamt war das Feedback aber gemischt. Zu den Essenszeiten bestand die Hauptaufgabe von uns Betreuern darin, bestimmte U14 Kinder dazu zu motivieren überhaupt etwas zu Essen. Eine erstaunlich schwere Aufgabe. Motiviert waren Elias und Magnus dafür beim Schach und nahmen am Abend noch am Tandemturnier teil.
Tag Drei. Los gings mit „Saarland & Friends“. Endlich ein Team, dass uns auch nominell favorisiert sah. Und tatsächlich: mussten wir uns gestern zwar 2,5 – 5,5 geschlagen geben, konnten wir unseren ersten Sieg einfahren. 5,5 – 2,5 für uns. Nua hatte einen kleinen Verdreher in der Eröffnung, kam dann aber wieder in eine mehr oder weniger bekannte Stellung und überspielte ihre Gegnerin prompt. Magnus stand früh leicht besser und setzte sich mit starkem Spiel in einer eigentlich ausgeglichenen Stellung durch. Alissa verpasste ihre Gelegenheit zum Sieg um Haaresbreite im Bauernendspiel, holte aber ein solides Remis. Elias brachte ein eigentlich bereits völlig verlorenes Turmendspiel noch wieder in greifbare Remis-Nähe, schaffte es aber nicht ganz zuzugreifen. Charlotte überspielte ihren Gegner zunächst, ließ dann aber doch noch Chancen zu. Da ihr Gegner diese aber nicht nutzte erzielte sie einen überzeugenden Sieg. Bahne konnte eine etwas missglückte Grünfeldstellung noch gerade so remis halten. Faris Partie war von starker materieller Ungleichheit geprägt, zwei verbundene Freibauern des Gegner standen Faris‘ Mehrfigur entgegen. Nachdem Faris die beiden Bauern stoppte, war es dann allerdings schnell vorbei für seinen Gegner. Jakob gelang es ebenfalls eine etwas missratene Schwarzeröffnung (hier war es Najdorf) zur Punkteteilung zu neutralisieren.
4:4, 4:4, 4:4. Das dritte Mannschaftsremis rang uns Bayern ab, das zwar an der Spitze nicht so stark war, dafür aber in der Breite. Ein gutes Ergebnis für uns. Der Mannschaftskampf war ein auf und ab, bei dem vor allem Faris und Alissa durch ein paar schöne taktische Funde glänzen konnten. Alles in allem war auch der zweite Doppelrundentag ein erfolgreicher!
Runde sechs. Der Turnierbereich ist in drei Räume aufgeteilt. Im Verlauf des Turniers waren wir vom ersten in den zweiten und schließlich zum dritten abgestiegen, dann wieder zum zweiten aufgestiegen und jetzt waren wir wieder im ersten! Das Problem: der Gegner war der spätere Sieger des Turniers und an eins gesetzte, Nordrhein-Westfalen. Die Runde startete schon desaströs. Der bis jetzt super stark spielende Faris stellte in einem leichten besseren Endspiel aus dem nichts eine Figur ein. Auch ansonsten lief es nicht viel besser. Charlotte verlor eine eigentlich gewonnene Stellung, Jakob verlor eine in der Bewertung immer wieder hin und her schwankende Partie, Elias spielte einen Zug, den er eigentlich erst später in der Variante ziehen wollte, Magnus Endspiel mit einem Bauern mehr verwandelte sich in eins mit einem weniger. Am Ende war es ein 1-7, das sich so einfach nicht gerecht anfühlte. Bahne und Nua spielten remis in leicht besseren Stellungen, bei Nuas fast 400 Punkte stärkere Gegnerin ein starkes Ergebnis.
Lichtblick war das am Abend stattfindende Blitzturnier, bei dem sogar noch Tom Woelk einen Gastauftritt hingab und auch wir Betreuer uns einmal an die Schachbretter setzen konnten. Bezeichnend für das Blitzturnier war die norwegische Ratte, 1.g6 Sf6 h5. Die noch kurz vor dem Turnier intensiv analysiert wurde und mit dem Einschub von 1.a3 selbst mit Weiß gespielt wurde. Sie war die Hamburger Spezialität. Zu Beginn der Runden hörte man immer wieder den Ruf der Ratte über die Bretter schallen. Die erfolgreichste Ratte war Bahne, der sich sogar noch ein Platz auf dem Treppchen sicherte. Durch den Sieg von Tom und den dritten Platz von Bahne hatten wir sogar zwei Hamburger unter den ersten Drei!
In der letzten Runde waren wir schließlich zurück im dritten Saal, ein maximal tiefer Fall. Nach der Runde gegen die Erstgesetzten spielten wir jetzt gegen die Letztgesetzten. Es galt den Gegner nicht zu unterschätzen. Die Vorbereitung fand am vorigen Tag natürlich noch vor dem Blitzturnier statt! Bis jetzt wurden wir unserer Favoritenrolle, wenn wir sie denn hatten, immer gerecht und auch dieses Mal konnten wir unseren DWZ-Vorteil verwerten. Die Runde spielte sich sehr schnell ab. Als die Mannschaft fertig war, war bei den anderen kaum mehr als ein oder zwei Partien entschieden. Aber am Ende waren es wieder wir, die mit 5,5 Punkten dastanden und so das Turnier gut zu Ende brachten. Wir wurden achter von 14. Punktgleich mit gleich drei weiteren Bundesländern, aber leider hatten wir die deutlich schlechtere Sonneborn-Berger. Trotzdem: Ein wirklich gutes Ergebnis, das leicht sogar noch besser hätte werden können. Eine starke Leistung der Mannschaft! Glückwünsche gehen an die verdienten Sieger von Nordrhein-Westfalen! Beendet haben wir unsere Zeit in Hannover übrigens mit einem spontanen 35-minütigen Spaziergang zum Bahnhof.
Ganz zum Schluss sollen noch mal die Highlights aus den Partien unserer Spieler gezeigt werden: